Wir gehen bei der Loreley nicht unter

Wir starten von Rüdesheim von der wunderschönen Sandbank. Danach hören wir traditionellen Tango und rudern in der Höllenhitze den Bach runter. Es ist wirklich nur sehr heiss, die Sonne brennt und drückt.

Tango, haben wir herausgefunden, ist die ideale (Steh-)Ruder-Musik, mit dem Unterschied, dass man mit einem Ruder keinen interpersonellen Konflikt heraufbeschwören kann, selbst wenn man es darauf anlegen täte. Bleibt als Herausforderung also der starke Schiffsverkehr und die Untiefen. Im Gegensatz zu Bern gibt es in Aareland-Pfalz überhaupt keine hirntoten Gummibootfahrer, die EDM hören. Das grösste Problem ist also gelöst.

Wir starten also von Rüdesheim, die Landschaft ist hier wieder hügelig und statt Gummiboote gibt es Schlösser und Wachtürme und Burgen. Viele Burgen. Weil der Fluss hier wieder enger wird, wollten hier früher alle Zölle eintreiben, daher all’ diese befestigte Architektur. Wir haben nicht alle Burgen fotografiert, weil wir in Ruhe rudern wollten und auch weil es viel zu heiss war.

Kirche, stromlinienförmig

Wir nähern uns der Loreley, dem sagenumwobenen Felsen.

Für die Berufsschifffahrt gibt’s hier eine sogenannte Wahrschau, die angibt, wann und wie gefahren werden darf. Früher brauchte es hier Lotsen und die Wahrschau wurd’ mit Flaggensignalen (bis 1972) betrieben.

Die Loreley liegt genau auf km 555.

Wir fahren schliesslich in den Loreley-Hafen ein, wo wir - mittlerweile gekonnt - einen Heckanker setzen und - nach unserem Guide - den “sehr schön gelegenen Campingplatz” suchen. Schliesslich erklimmen wir in Gluteshitze die Treppe zum Loreley-Felsen. Natürlich nicht ohne die Kioskbetreiber beim Hafen nach Legalität dieses Ankerplatzes und der Häufigkeit der Besuche des Mainzer Ordnungsamts zu fragen.

Wir kommen also endlich oben an, dem Ende nahe. Und stellen oben fest, dass dieser Camping seit Jahren nicht mehr öffentlich ist und nur noch mit Festivals gekoppelt geöffnet ist. In einem Verzweiflungakt (wir waren leichte Beute), zahlen wir 40 Euronen, um auf dem Camping des Festivals “Night of the Prog” übernachten zu dürfen. O-Ton Schiffsmeister A. von R.: “Abzocke!”.

Um möglichst deskriptiv zu bleiben, möchte der Maat hier festgehalten haben: die Progrock-Szene hat ein massives Nachwuchsproblem und dürfte maximal noch 20 Jahre bestehen. Ihre Basis besteht grösstenteils aus mittelständischen Buchhaltern und Geschäftsprüferinnen, mit so komischen T-Shirts wie Frisuren. Ansonsten ist uns mittlerweile alles egal. Hauptsache Duschen und Schatten. Mit barocken Choralgesängen und Synthie hätt’ die Loreley jedenfalls sicherlich niemanden anlocken können.

Was auf dem Felsen gut ist: die Aussicht. Wahnsinn. Wir beobachten Schiffe, die sich von der Wahrschau geleitet in der engen Durchfahrt kreuzen:

Wir stellen fest, dass die Loreley auch einfach nur ein Felsen ist, über den mal irgendjemand geschrieben hat (vgl. Tellsplatte. Von den kalten Winden in Karl Valentins Persiflage des Loreley-Liedes (“beklagt die Loreley vor allem die kalten Winde oben auf dem Felsen.” Wikipedia) kriegen wir leider gar nichts mit.